Germanwings-Absturz in den sozialen Medien: Boulevard und Nebensächlichkeiten dominieren bei Facebook, harte News bei Twitter
Das dramatische Flugzeugunglück des Germanwings-Airbus sorgte am Dienstag für große Bestürzung in Deutschland. Neben dem Fernsehen informierten sich Millionen von Leuten natürlich auch im Netz über die aktuellen Ereignisse in Südfrankreich. Mit Hilfe von Daten aus unserem neuen Pro-Tool und den Charts auf 10000Flies.de habe ich untersucht, welche Inhalte die Nutzer der sozialen Netzwerke am meisten interessierten, welche sie weiter verbreitet haben, welche sie also offenbar am meisten bewegt haben.
Tempo und unterschiedliche Strategien
Die ersten Nachrichten über den Absturz erreichten die Öffentlichkeit ab ca. 11.30 Uhr. Schnell wurde danach klar, dass es sich bei der abgestürzten Maschine um ein deutsches Flugzeug handelt. Eine Tatsache, die das Interesse in Deutschland logischerweise noch einmal dramatisch verstärkte. Es ist menschlich, wenn ein solcher Unfall die Leute hierzulande mehr bewegt, als wenn ein Flugzeug in Südostasien abstürzt.
Twitter erwies sich dabei erneut als schnellste Plattform für News, die Nachricht verbreitete sich dort in wenigen Minuten massiv. Die ersten Artikel zum Thema hievten die großen Nachrichtenwebsites wenige Minuten später auf ihre Seiten. Die Zahlen aus unserem Pro-Tool zeigen, wie schnell sich die Links zu den Artikeln über Facebook und Twitter weiter verbreiteten. Schaut man sich die Flies der Ursprungs-Artikel zum Unglück auf den drei größten News-Plattformen Bild.de, Spiegel Online und Focus Online an, zeigt sich, dass bereits um 12.15 Uhr 608 Leute bei Facebook und Twitter auf den Focus-Artikel reagiert hatten, 434 den Bild.de-Text getwittert, gesharet oder geliket hatten und 155 den von Spiegel Online. Zu diesem Zeitpunkt ist an den Daten abzulesen, dass Geschwindigkeit die Zahlen beeinflusst hat. Focus Online war als schnellstes der drei Medien um 11.36 Uhr online, Bild.de um 11.45 Uhr und Spiegel Online um 11.42 Uhr.
Im weiteren Verlauf des Tages wurden dann die verschiedenen Strategien der drei Medien deutlich, wie man mit dem Ursprungs-Artikel umgeht: Während Focus und Spiegel den Artikel einige Zeit lang erweiterten und aktualisierten, dann aber neue Artikel über die weiteren Erkenntnisse veröffentlichten, nutzte Bild.de die Aufmerksamkeit, die der Ursprungs-Artikel (und seine URL) auf sich gezogen hatte, um ihn mit einem eingebauten Live-Ticker den ganzen Tag lang als Haupt-Infoquelle über das Unglück auf Bild.de weiter zu betreiben. In unseren Zahlen sieht das dann so aus, dass Spiegel und Focus mit ihren Artikeln von Viertelstunde zu Viertelstunde tendenziell weniger neue Likes, Shares und Tweets erreichten, Bild.de aber bis in den Abend hinein immer mehr.
Zwar richteten auch Spiegel Online und Focus Online Live-Ticker ein, doch deren Zahlen kamen nicht mehr an die des ursprünglichen Artikels heran. Bild.de erzielte den Großteil der Flies des Ursprungs-Artikels hingegen erst nach 17 Uhr. Aus 10000-Flies-, bzw. Social-Media-Sicht war die Strategie, die Aufmerksamkeit des urspünglichen Artikels zu nutzen, um unter der gleichen URL den ganzen Tag lang weiter zu berichten, goldrichtig.
Randaspekte und Boulevardberichte dominieren die 10000-Flies-Charts
Die drei nachrichtlichen Artikel, deren Zahlen ich eben analysiert habe, waren nicht die erfolgreichsten in den 10000-Flies-Charts. Im Ranking der Berichte zum Germanwings-Absturz belegen sie die Plätze 2 (Bild), 5 (Spiegel) und 9 (Focus). Spannend ist, dass stattdessen viele Randaspekte und Aufregerberichte für viel Aufmerksamkeit gesorgt haben. So haben offenbar sehr sehr viele Leute die Tatsache goutiert, dass der DFB am Mittwoch beim Länderspiel mit Trauerflor auflaufen wird: Der Artikel dazu erreichte auf der DFB-Website mehr als 25.000 Flies (Stand: Mittwochmorgen) und damit mehr als der erfolgreiche Bild.de-Text bzw. -Ticker. Schalke 04, dessen Spieler Benedikt Höwedes aus Haltern kommt, dem Ort also, aus dem auch zahlreiche Opfer des Unglücks stammten, erzielte mit seiner Beileidsbekundung fast 8.000 Flies.
RP Online erreichte unterdessen mit einem Bericht darüber, dass „TV total“ ausfallen würde, über 9.000 Flies. Focus Online mit einem Text über den weitgehend unbekannten Rapper Moneyboy und dessen geschmacklosen Witzen auf Kosten der Unglücksopfer 8.000 Flies – hier kommen derzeit noch massiv Flies hinzu. Spannend auch, dass die Frauen-Website Wunderweib mit Berichten extrem erfolgreich war: Zwei Artikel des Portals – ein nachrichtlicher und einer mit der Headline „Wir sind so traurig – Reaktionen auf Germanwings-Absturz“ erzielten jeweils fast 6.000 Flies und damit mehr als die stärksten Artikel von großen Websites wie Welt, Süddeutsche und FAZ.
Insgesamt finden sich unter den 50 Artikeln mit den meisten Flies vom Dienstag 25 zum Thema Germanwings-Absturz, unter den 100 mit den meisten Flies 41:
Bei Twitter wurden die härteren Nachrichten-Artikel weiter verbreitet
Auch im Bezug auf das Unglück zeigte sich der Unterschied zwischen den Plattformen Facebook und Twitter. Während bei Facebook, der auch in Deutschland gigantisch großen Mainstream-Plattform, die oben gezeigten Randaspekte und Boulevardberichte dominierten, waren es auf Twitter eher nachrichtliche Texte, die weiter verbreitet wurden. Spiegel Online lag hier mit einem Artikel vorn, der erst am Abend online ging – darüber, dass sich zahlreiche Piloten der Lufthansa und von Germanwings nach dem Unglück offenbar weigerten, ihren Flug anzutreten. Auch Süddeutsche.de, Die Welt und Zeit Online – im Gesamt-Ranking nicht sehr weit vorn dabei – punkteten auf Twitter. Ebenfalls in der Top Ten: DWDL.de mit einem Kommentar zur Rolle der Medien bei einem solchen Unglück:
Top 10: Artikel zum Germanwings-Absturz vom 24. März auf Twitter | ||||
Gesamt | Quelle | Artikel | Flies | |
1 | 1 | Spiegel Online | Airbus-Probleme: Germanwings- und Lufthansa-Piloten weigern sich zu fliegen | 677 |
2 | 2 | Bild | 142 Passagiere – „Germanwings“-Airbus in Frankreich abgestürzt | 520 |
3 | 4 | Süddeutsche.de | Unglück in Frankreich: Germanwings-Flugzeug mit mehr als 140 Passagieren abgestürzt | 355 |
4 | 5 | Die Welt | Unglück: Germanwings-Airbus stürzt in Südfrankreich ab | 339 |
5 | 6 | Spiegel Online | Flugzeugunglück: Airbus von Germanwings in Südfrankreich abgestürzt | 322 |
6 | 8 | Zeit Online | Airbus von German Wings im Süden Frankreichs abgestürzt | 244 |
7 | 12 | Spiegel Online | Schülergruppe aus Haltern: Tragisches Ende einer Sprachreise | 182 |
8 | 13 | DWDL.de | Der verhältnismäßige Journalismus, ein Opfer | 180 |
9 | 14 | Zeit Online | Airbus: Was wir bislang über den Absturz wissen | 170 |
10 | 15 | Bild | Alle Infos zum Absturz – Acht Minuten Sinkflug vor dem Crash | 167 |
Quelle: 10000 Flies / Datenstand: 25. März, ca. 9.30 Uhr |
Zusammenfassend: Bei Facebook wurden vor allem Artikel über Randaspekte des Unglücks weiter verbreitet, bei Twitter dominierten die harten Nachrichten – und die Bild.de-Strategie, die hohe Aufmerksamkeit des Ursprungs-Artikel den ganzen Tag lang für einen Live-Ticker weiter zu nutzen, erwies sich aus Social-Media-Sicht als die beste.
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